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Verfasst von Dietrich Köster
Deutsch-Mikronesien – auch Inselgebiet von Deutsch-Neuguinea genannt – ist die weitverstreute Inselwelt, die nördlich des Äquators im westlichen Zentralpazifik liegt und bis 1914/1920 den nördlichen Teil Deutsch-Neuguineas bildete. Hinzu kommt die Insel Nauru, eben südlich des Äquators gelegen. Die Festlandsfläche beträgt nur wenig mehr als 2.500 Quadratkilometer. Die Bevölkerungszahl belief sich 1914 auf 62.000 und liegt heute bei 176.000. Im einzelnen setzte sich Deutsch-Mikronesien aus den Marianen ohne Guam, den Palau-Inseln, den Karolinen und den Marshall-Inseln mit Nauru zusammen. Es gibt dort insgesamt 2.141 Inseln, von denen nur 98 bewohnt sind.
Die Marianen, eine Inselkette nördlich der Insel Guam, waren von 1565 bis 1898 von den Spaniern kolonisiert worden, so daß beim Kauf dieser Inseln durch das Deutsche Reich von Spanien nach dem Spanisch-US-amerikanischen Krieg die neuen deutschen Kolonialherren einen starken spanischen Einfluß vorfanden, der den Verhältnissen in Lateinamerika ähnlich war. Die Marianen wurden übrigens lange Zeit nicht von Spanien direkt, sondern bis zur Unabhängigkeit Mexikos von diesem verwaltet. Danach erfolgte die Verwaltung von Manila aus. Die Marianen liegen auf dem Weg von Mexiko nach den Philippinen, so daß spanische Galeonen hier Proviant aufnahmen. Mit dem Verlust der Philippinen im o.g. Krieg war für Spanien der mikronesische Inselbesitz uninteressant geworden und wurde, wie erwähnt, an das Deutsche Reich verkauft.
Bei der Übernahme der Marianen wurde der Kaiserliche Bezirksamtmann Georg Fritz in Garapan auf der Insel Saipan vom Gouverneur des Schutzgebietes Deutsch-Neuguinea, Rudolf von Bennigsen, eingesetzt. Dieser Bezirksamtmann leistete 1899 bis 1907 aktive Entwicklungsarbeit. So gründete er eine Regierungsschule für Eingeborenenkinder, wobei er bis zum Eintreffen des ersten Lehrers selber Unterricht erteilte.
Schon zu Beginn des Ersten Weltkrieges besetzten japanische Marinetruppen die Inseln. Da es für Deutsch-Neuguinea, wozu die Marianen gehörten, keine Schutztruppe gab, sondern nur eine kleine Polizeitruppe, leisteten die Deutschen den Japanern keinen Widerstand.
Zum Inselgebiet von Deutsch-Neuguinea gehörten auch die Palau-Inseln. Die Flaggenhissung von einem deutschen Kriegsschiff aus im Jahre 1885 mußte nach spanischen Protesten wieder zurückgenommen werden. Die Spanier machten ältere Rechte geltend. Sie behaupteten, diese Inseln schon seit dem 16. Jahrhundert zu besitzen, ohne aber je den Fuß auf diese Inseln gesetzt zu haben. Durch einen Schiedsspruch des Papstes sollte Spanien diese Inseln behalten, allerdings mit der Auflage, Verwaltungs- und Militärpersonal nach hier zu schicken, um die Inseln effektiv in Besitz zu nehmen.
Die gleiche Situation herrschte im Jahre 1885 auf den Inselgruppen Yap, Truk und Ponape, die die Karolinen bilden. Hier wurde Spanien auch jetzt erst kolonisatorisch tätig. Spanische Ordensgeistliche nahmen auf den Inseln ihre Missionsarbeit auf. Mit der spanischen Präsenz war es aber nicht nur auf den Marianen und den Palau-Inseln im Jahre 1899 vorbei. Nach der Niederlage im Spanisch-US-amerikanischen Krieg und dem Verlust der Philippinen verkaufte Spanien in diesem Jahr auch die Karolinen an das Deutsche Reich. In Yap wurde Arno Senft, in Ponape Dr. Albert Hahl als Bezirksamtmann eingesetzt. Palau und Truk erhielten einen Stationsleiter.
1910/11 brach über der Frage der Erbringung von Straßenbauarbeiten ein Aufstand der Eingeborenen auf Ponape aus. Nach der Ermordung des Bezirksamtmanns Gustav Böder wurden vier Kriegsschiffe des in Tsingtau/Deutsches Kiautschou-Gebiet stationierten deutschen Ostasiengeschwaders in Marsch gesetzt. In einem mühsamen Kleinkrieg konnten die Schiffsbesatzungen die Aufständischen auf dem Dschokadsch-Felsen der Sokehs-Halbinsel niederringen. Die Rädelsführer wurden hingerichtet. Andere am Aufstand Beteiligte wurden auf die Palau-Inseln verbannt.
Auch die Palau-Inseln und die Karolinen ereilte zu Beginn des Ersten Weltkrieges das Schicksal der japanischen Eroberung, ohne daß die Deutschen Widerstand leisteten.
Anders verlief die deutsche Inbesitznahme auf den sich im Osten an die Karolinen anschließenden Marshall-Inseln. Da Spanien hier keine Besitzrechte geltend machte, konnte die Flaggenhissung durch SMS Nautilus im Jahre 1885 aufrechterhalten werden. Hauptinselbereich mit Sitz des Landeshauptmanns des Schutzgebietes Marshall-Inseln wurde Jabwor im Jaluit-Atoll. 1888 wurde auf der weiter südlich gelegenen Insel Nauru ein Kleinkrieg der Eingeborenen von deutscher Seite geschlichtet und diese Insel verwaltungstechnisch zu einem Teil der Marshall-Inseln erklärt.
Bis 1906 war es die private Jaluit-Handelsgesellschaft, die im Auftrage des Deutschen Reiches als beliehene Gesellschaft die Verwaltung der Inselgruppe wahrnahm. Da Australien sich nicht mit dem Handelsmonopol der Jaluit-Gesellschaft abfinden wollte, wurde dieser Gesellschaft nicht nur dieses Monopol aberkannt, sondern ihr auch die Hoheitsrechte über die Marshall-Inseln entzogen. Das Deutsche Reich nahm damit diese Inseln in eigene Verwaltung und setzte einen Bezirksamtmann in Jabwor und einen Stationsleiter auf Nauru ein. Die letztgenannte Insel nahm ab 1906 einen rasanten Aufstieg. Das Auffinden reicher Phosphatlager, die den größten Teil der Insel bedeckten, wurde die Grundlage für eine rasche wirtschaftliche Entwicklung. Auch hier wurde der deutschen Tätigkeit mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein jähes Ende gesetzt. Da die australische Marine hier vor der japanischen eintraf, wurde diese Insel 1914 von den Australiern besetzt. Demgegenüber wurden die Marshall-Inseln im engeren Sinne von den Japanern besetzt.
Durch den Versailler Friedensvertrag, der am 10. Januar 1920 in Kraft trat, wurden die Marianen, die Palau-Inseln, die Karolinen und die Marshall-Inseln ohne Nauru Japan als Mandatsmacht mit dem Völkerbund als Träger der Oberhoheit über diese Inselgruppen zuerkannt (C-Mandat). Eine entsprechende Mandatsverwaltung für Nauru wurde auf Grund dieses Vertrages von Australien eingerichtet. Dies geschah auch im Namen Großbritanniens und Neuseelands.
In der Zwischenweltkriegszeit wurde mit Ausnahme Naurus der gesamte Inselbereich Mikronesiens von den Japanern wirtschaftlich rasch durchdrungen. Obwohl die Marianen mit großen Zuckerrohrpflanzungen und Zuckerfabriken den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit darstellten, wurde der Hauptverwaltungssitz der japanischen Südseegebiete – Nanyo genannt – der Ort Koror in der Palau-Inselgruppe. Hier wurde eine Stadt aus dem Boden gestampft, die sich kaum von einer Provinzstadt in Japan unterschied. Typisch für die Jahre 1920-40 war der Versuch der vollständigen Japanisierung Mikronesiens. So wurde die Zuwanderung von Japanern von offizieller Seite stark gefördert, die die einheimische Bevölkerung zu einer Minderheit im eigenen Inselbereich machte. Ab 1936 war es für einen Nicht-Japaner sehr schwierig, diese Inselgruppen zu bereisen. Die Japaner gingen nämlich im Rahmen ihrer Eroberungspläne daran, ihr Mandatsgebiet im Zentralpazifik zu befestigen. Die Truk-Inseln wurden zum Sitz des Hauptquartiers des Südkommandos der Kriegsmarine. Nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor Ende 1941 griff die japanische Flotte weit im Westpazifik aus und eroberte zahlreiche weitere Inseln, zu denen auch Nauru gehörte. Sofort wurde diese Insel befestigt und ein großer Teil der Bevölkerung nach Truk verschleppt.
1944/45 wurde im Zuge der Niederringung der Japaner im Pazifik das gesamte japanische Mandatsgebiet von US-Truppen erobert. Die Australier kehrten im September 1945 nach Nauru zurück.
Da die japanischen Soldaten für ihren Fanatismus bekannt sind – Kamikaze steht als Beispiel dafür -, konnten die Amerikaner erst unter großer Kraftanstrengung das bisherige Nanyo erobern. Besonders erbitterte Kämpfe fanden in Truk, wo die US-Luftwaffe einen großen Teil der japanischen Südflotte versenkte, statt. Schwere Kämpfe entspannen sich um die Inseln Angaur, Peleliu und Koror der Palau-Inseln. Die verbissensten Kämpfe spielten sich um Guam – eine US-Außenbesitzung – und die Marianen-Inseln Rota, Tinian und Saipan ab. Auf Tinian wurde der bisherige japanische Fliegerhorst im Eilverfahren ausgebaut und als Startpunkt für die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki verwandt. Auf Saipan waren viele japanische Soldaten nicht bereit zu kapitulieren. Sie stürzten sich von einem hohen Felsen, der heute Suicide Cliff genannt wird. Zahlreiches Kriegsmaterial ließen Japaner und Amerikaner auf dem Kriegsschauplatz zurück.
Im Jahre 1947 erhielten die USA Mikronesien mit Ausnahme von Nauru als Treuhandgebiet Pazifische Inseln von den Vereinten Nationen übertragen. Dabei konnte die US-Regierung durchsetzen, daß dieses Gebiet von einer Seefläche, die mit 7,8 Millionen Quadratkilometern der Landfläche der USA entspricht, zu einem strategischen Gebiet erklärt wurde. Dies war für die USA die Rechtfertigung, bis 1958 auf den Atollen Bikini und Eniwetok der Marshall-Inseln zahlreiche Atombombenversuche durchzuführen. Diese riefen besonders unter den umgesiedelten Bewohnern der Marshall-Inseln zahlreiche Proteste hervor. Auch richteten die USA auf dem Kwajalein-Atoll ein Raketenversuchsgelände ein. Dabei wurden die Bewohner Mikronesiens durch den weitgehenden Verlust der Subsistenzlandwirtschaft zu Wohlfahrtsempfängern der USA. Auf Saipan gibt es trotz der jüngst erfolgten Ansiedlung von Textilbetrieben und des florierenden Fremdenverkehrs – hervorgerufen durch japanische Veteranen des Zweiten Weltkriegs und Hochzeitsreisende – zahlreiche Empfänger von Lebensmittelgutscheinen, den food stamps.
Während das kleine VN-Treuhandgebiet der Insel Nauru unter Aufhebung der VN-Treuhandschaft 1968 als Republik Nauru von Australien unabhängig wurde und immer noch von den Exporteinkünften der zur Neige gehenden Phosphatvorkommen lebt, war das staatsrechtliche und wirtschaftliche Schicksal des US-verwalteten VN-Treuhandgebietes Pazifische Inseln lange Zeit nicht abschließend geklärt.
Die USA bestehen darauf, daß sie auf den Palau-Inseln Atomwaffen stationieren können. 1979 legte die Verfassung von Palau fest, daß diese Inselgruppe atomwaffenfreie Zone sein soll. In mehreren Volksabstimmungen konnte die Dreiviertel-Mehrheit, die zur Aufhebung der Bestimmung über die atomwaffenfreie Zone der Verfassung erforderlich ist, nicht erreicht werden. Dies verhinderte die Ratifizierung des Assoziierungsvertrages (Compact of Free Association) mit den USA. Dieser Vertrag sieht eine weitgehende Selbständigkeit der neuen Republik Palau – auch Belau genannt – vor. Die Außen- und Verteidigungspolitik soll dabei aber weiter von den USA wahrgenommen werden.
Auf der anderen Seite schlossen die Karolinen – jetzt Föderierte Staaten von Mikronesien (FSM) genannt – und die neue Republik Marshallinseln Assoziierungsverträge mit den USA ab. Schließlich ist der staatsrechtliche Status der Nördlichen Marianen so angelegt, daß der jetzige Status eines “Commonwealth” später zur Umwandlung in einen 51. US-Bundesstaat führen kann.
Da Palau mit der Ratifizierung des Assoziierungsvertrages zögerte, haben schließlich der Treuhandschaftsrat der Vereinten Nationen und der Weltsicherheitsrat das System der VN-Treuhandschaft über das gesamte ehemalige Deutsch-Mikronesien nördlich des Äquators – die Palau-Inseln ausgenommen – am 22. Dezember 1990 aufgehoben.
Nach Überwindung verfassungsrechtlicher Hürden ratifizierten die Palau-Inseln doch noch den Assoziierungsvertrag mit den USA. Darauf erfolgte am 01. Oktober 1994 schließlich auch für Palau – jetzt Republik Palau – die Aufhebung der VN-Treuhandschaft.
Die Assoziierungsverträge für die Republik Palau, die Föderierten Staaten von Mikronesien und die Republik Marshallinseln sehen eine starke finanzielle Unterstützung durch die USA und einen freien Zugang zum US-Arbeitsmarkt vor.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Inselgruppen des VN-Treuhandgebietes Pazifische Inseln entweder gar nicht unabhängig werden – dies gilt für die Nördlichen Marianen – oder außen- und militärpolitisch durch Assoziierungsverträge (Compacts of Free Association) in teilweiser Abhängigkeit von den USA gehalten werden. Letzteres trifft für die Republik Palau, die Föderierten Staaten von Mikronesien und die Republik Marshallinseln zu.
Copyright 2005 von Dietrich Köster, D-53115 Bonn
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