Kategorien
Afrika Portugiesischer Kolonialismus São Tomé und Príncipe

São Tomé und Príncipe: die portugiesischsprachigen Plantageninseln im Golf von Guinea – Situation im Jahr 1990 und Entwicklungsaussichten

This post is also available in: Português

Verfasst von Dietrich Köster

Die Inseln São Tomé und Príncipe liegen im Golf von Guinea eben nördlich des Äquators. Sie sind von Lissabon, Libreville (Gabun) und Luanda aus auf dem Luftweg zu erreichen. Am bequemsten gelangt man nach São Tomé , indem man mit SABENA von Brüssel nach Libreville und von dort mit der kleinen Maschine der Fluggesellschaft „Equatorial“ nach São Tomé fliegt.

Die Hauptinsel São Tomé liegt 280 km westlich von Libreville und die kleinere Insel Príncipe ungefähr 140 km nordöstlich der Hauptinsel. Beide Inseln zusammen bilden eine Fläche von 1.001 km² und haben eine Bevölkerung von 114.000 Einwohnern. Die Bewohner sind größtenteils Schwarze, deren Vorfahren als Sklaven von den Portugiesen hierher gebracht wurden. Daneben gibt es etwa 15% Mischlinge von den Kapverden und eine Restgruppe Portugiesen, Ein halbes Jahrtausend portugiesischer Kolonialherrschaft haben die beiden Inseln und ihre Bevölkerung geprägt.

Gleich beim Verlassen des Flugzeugs schlägt dem Reisenden feuchtwarme Luft entgegen. Hohe Luftfeuchtigkeit und Temperaturen, die an der Küste nur selten unter 25º C sinken, kennzeichnen das Klima. Das üppige Grün der Vegetation und der schlechte bauliche Zustand der Häuser und Straßen sind die ersten Eindrücke, die ins Auge springen. Die Vermutung liegt nahe, daß seit der Unabhängigkeit im Jahre 1975 keine Bauunterhaltungsmaßnahmen mehr ergriffen worden sind. Das Befahren der Straßen wird so zu einer Slalom-Partie.

Größte Stadt und Hauptstadt des Archipels ist São Tomé mit 20.000 Einwohnern. Es fällt auf, daß das Stadtbild stark von Militär und Polizei geprägt wird. Dabei handelt es sich nicht nur um einheimisches Militär, sondern auch um ein tausend Mann starkes Militärkontingent aus Angola.

Der Präsidentenpalast, der nicht fotografiert werden darf, besitzt eine Wachmannschaft, die feldmarschmäßig ausgerüstet ist und das Bajonett aufgepflanzt hat. Vor dem Wachwechsel ertönt ein Trompetensignal, das jeden Passanten und Autofahrer auffordert, stehen zu bleiben. Die gleiche Habachtstellung gilt für die Augenzeugen der vorbeifahrenden Fahrzeugkolonne des Staatspräsidenten, Dieser hat seinen Amtssitz nicht nur auf zwei Seiten weiträumig absperren lassen, sondern läßt mit sich auch einen ausgeprägten Personenkult treiben. So hängt in vielen Geschäften das Porträt von Präsident Pinto da Costa.

Die Versorgungslage der Bevölkerung läßt zu wünschen übrig. Zwar bietet der Markt der Hauptstadt einheimische landwirtschaftliche Produkte feil, aber der Einzelhandel hat für den Kunden nur wenige Erzeugnisse des gehobenen Bedarfs vorrätig. Nur in der Loja Franca – sie entspricht dem Intershop in der DDR – kann man gegen US$ Qualitätserzeugnisse erwerben.

Eine weitere Oase westlichen Warenangebots bildet das einzige 4-Sterne-Hotel „Miramar“, das einer Schweizer Hotelkette gehört und von Herrn Furrer, einem Schweizer, geleitet wird. Auch hier erfolgt der Zahlungsverkehr nur in konvertibler Währung. Zur Sicherung des hohen Hotelstandards werden zahlreiche Ver- und Gebrauchsgüter aus der Republik Südafrika und Namibia eingeführt. Dieses Hotel, das seinen Gästen viel zu bieten hat, nimmt gleichzeitig die Funktion eines Fremdenverkehrsbüros wahr. So werden von hier verschiedene Inselrundfahrten und in Verbindung mit „Equatorial“ Flugexkursionen nach Príncipe angeboten. Das Hotel „Miramar“ wird von zahlungskräftigen Gästen aus Libreville aufgesucht und ist Treffpunkt der Entwicklungshelfer aus der Sowjetunion, aus Kuba, der DDR, aus der Schweiz, aus Frankreich, Italien, den Niederlanden, aus Portugal und Spanien.

Auch die Vereinten Nationen stellen durch ihr Entwicklungsprogramm UNDP, durch die Weltgesundheitsorganisation und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation Entwicklungshelfer. Der Schwerpunkt der Hilfstätigkeit liegt im Bereich des Schulwesens, der Berufsausbildung, der Verbesserung der Gesundheitssituation und der Diversifizierung der Landwirtschaft. So bildet die DDR durch ihre FDJ-Freundschaftsbrigade Maurer und Maurerinnen aus.

Ziel der Regierung ist die breitere Auffächerung der landwirtschaftlichen Angebotspalette. Man möchte von der Monokultur des Kakaos wegkommen. Zur Zeit stellen die Kakaoplantagen noch 90% des Ausfuhrwertes. Daneben gehen noch geringe Mengen Kopra, Kaffee und Palmöl in den Export. Die Erzeugung von Kakao ist ab 1975 mit der Flucht der portugiesischen Fachkräfte stark zurückgegangen. Die Verstaatlichung der Plantagen – Roças genannt – hat hieran nichts ändern können. Seit einigen Jahren bemüht sich die Regierung durch ihr Strukturanpassungsprogramm, der Privatinitiative mehr Entfaltungsmöglichkeiten einzuräumen. So gibt es jetzt mehrere Plantagen mit privatem Management. Auch sind Einzelhandelsgeschäfte teilweise wieder im Besitz von Geschäftsleuten. Die Plantage Água Izé zum Beispiel besitzt eine gemischte Eigentumsform und ist erfolgreicher als die rein staatlichen Landwirtschaftsunternehmen.

Neben der Steigerung des Anbaus von Gemüse, Reis, Mais, Maniok, Bananen und von anderen Grundnahrungsmitteln plant man den Ausbau des Fremdenverkehrs. Das warme Klima, die Landschaft mit ihrem immergrünen Pflanzenkleid, einsamen Stränden, Wasserfällen und Vulkanschloten, und nicht zuletzt die freundlichen Inselbewohner, sind günstige Voraussetzungen für den Tourismus.

Für eine Ankurbelung dieses Wirtschaftszweiges ist allerdings eine Instandsetzung bzw. ein Ausbau des Verkehrsnetzes auf beiden Inseln, der Bau eines Tiefwasserhafens und ein besserer Anschluß an das internationale Flugnetz in Libreville erforderlich.

Meines Erachtens ist der Kleinstaat ohne Hilfe von außen nicht lebensfähig. Eine Eingliederung von São Tomé und Príncipe in die Zentralafrikanische Zoll- und Wirtschaftsunion (UDEAC) würde dem Inselstaat den vom französischen Schatzamt garantierten CFA-Franc bringen. São Tomé und Príncipe sollte hier dem Beispiel des benachbarten Äquatorialguinea, das seit 1985 Mitglied der CFA-Zone ist, folgen.

Eine Alternative für die Zeit nach dem Erreichen einer Friedenslösung im südwestlichen Afrika wäre eine engere Anlehnung oder Angliederung von São Tomé und Príncipe an das ebenfalls portugiesischsprachige Angola.

© März 1990 by Dietrich Köster, D-53115 Bonn

This post is also available in: Português