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Ost-Timor Portugiesischer Kolonialismus

Die Kolonialgeschichte Osttimors

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Verfasst von Marco Ramerini. Übersetzt von Dietrich Köster.

Die Insel Timor erschien erstmalig 1512 auf einer Landkarte unter der Bezeichnung “Insel, wo der Sandelbaum wächst”.

Wahrscheinlich wurde Timor das erste Mal von den Portugiesen 1514-15 besucht. Sie dürften bei dieser Gelegenheit eine chinesische Dschunke benutzt haben.

Sie brachen von ihrem Stützpunkt Malakka auf und führten verschiedene Handelsreisen zur Insel Timor durch. Solche Reisen wurden mit dem Ziel gemacht, das äußerst wertvolle Sandelholz zu erwerben. Es ist eine Art parfümiertes Holz, das im Orient sehr geschätzt wird und für die Gewinnung von Parfum, Salben und Weihrauch gebraucht wird.

Trotz des großen Handelswertes des Sandelholzes für die asiatischen Märkte und die fortgesetzten Handelskontakte mit Timor wurde von den Portugiesen keine ständige Niederlassung in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts angelegt. Die erste Niederlassung wurde 1561 auf der Insel Solor von Missionaren des Dominikanerordens gegründet. Diese befestigten die Insel 1566. Solor wurde als Stützpunkt für die Evangelisierung der umliegenden Inseln, wo noch heute (Flores) die katholische Religion vorherrscht, genutzt. 1595 wurde eine weitere befestigte Niederlassung von den Fratres auf der Insel Ende Menor auf der Höhe der Südküste von Flores geschaffen. Mit dem Eintreffen der Niederländer und der darauf folgenden Eroberung des Forts von Solor durch sie im Jahr 1613, verlegten die Portugiesen ihren Stützpunkt nach Larantuka auf der Insel Flores. Für den kurzen Zeitraum von 1630 bis 1636 wurde Solor von den Portugiesen erneut besetzt. Aber danach fiel diese Insel erneut in niederländische Hände.

Es war wiederum dank der Fratres, daß die Portugiesen 1646 eine Festung in Kupang bauen konnten. Es war die erste Niederlassung auf der Insel Timor. Auch das Fort von Kupang wurde jedoch bald von den Niederländern angegriffen und erobert (1653). Wenige Jahre nach dem Fall von Kupang ließen sich die Portugiesen in Lifau an der Nordküste Timors nieder (1660/1670). 1668 wurde Dili gegründet, die heutige Hauptstadt von Osttimor.

Das Evangelisierungswerk der Missionare war in den ersten Jahrzehnten für die Festigung der portugiesischen Präsenz auf der Insel sehr wichtig. Schließlich war es erst im Jahre 1702, daß der erste Gouverneur für die Insel – António Coelho Guerreiro – ernannt wurde, und auch dann wurde erst eine effiziente Verwaltungsstruktur für die Kolonie geschaffen. Während des ganzen 18. Jahrhunderts beschränkte sich die portugiesische Präsenz auf einige Niederlassungen an der Küste: Lifau, Dili, Manatuto und Batugadé. Das Inselinnere war nur nominell unter portugiesischer Kontrolle. Das Leben der Insel wurde oft von Aufständen erschüttert. Am 11. August 1769 wurde Lifau – die erste Hauptstadt – aufgegeben.

Erst am Ende des 19. Jahrhunderts wurde die portugiesische Besetzung auf das ganze Gebiet von Osttimor ausgedehnt. Im 19. Jahrhundert wurde der Kaffeeanbau gefördert. Im Laufe der Zeit ersetzte der Kaffee das Sandelholz und wurde zum wichtigsten Exportartikel der Insel.

1859 wurden in einem Vertrag mit den Niederlanden die Grenzen zwischen den beiden Kolonialmächten, die sich die Insel teilten, und die Abtretung der letzten portugiesischen Besitzungen auf den Inseln Flores (Larantuka, Sikka und Paga), Adonara (Wouré) und Solor (Pamakajo) an die Niederlande geregelt. Anfänglich wurde Osttimor von Macau aus verwaltet und erhielt 1895 eine eigene Kolonialverwaltung.

Portugiesische Niederlassungen auf Timor, Flores und Solor
Portugiesische Niederlassungen auf Timor, Flores und Solor

1940 wurde in Dili eine Diözese geschaffen. Zu jener Zeit waren nur 8% (29.889) der Bevölkerung katholisch. Im zweiten Weltkrieg wurde Timor von japanischen Truppen erobert. Sie besetzten die Insel im Februar 1942. Diese Besetzung kostete zwischen 40.000 und 60.000 Menschen das Leben. 1945 traten die Japaner die Insel an die Australier ab. Der Ostteil wurde von ihnen den Portugiesen und der Westteil den Niederländern übergeben. 1949 wurde der Westteil der Insel ein Teil Indonesiens.

1972 war der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung auf 28% (187.540) bei einer Geamtbevölkerung von 674.550 Einwohnern gestiegen. Ab 1974 erlaubte Portugal im Hinblick auf die Entkolonisierung seiner Kolonien die Bildung von politischen Parteien. Auf Timor bildeten sich drei Hauptparteien: die ASDT oder FRETILIN, die sich die Unabhängigkeit zum Ziel gesetzt hatte, die UDT (União Democrática Timorense), die erst eine Angliederung an Portugal favorisierte, dann aber für die Unabhängigkeit votierte, und die APODETI, die eine Vereinigung mit Indonesien wollte und in der Bevölkerung am wenigsten verwurzelt war.

Im Februar/März 1975 wurden die ersten Wahlen durchgeführt. Dabei errang die FRETILIN 55% der Stimmen, die UDT erzielte 40% und die APODETI 5% der Stimmen. Portugal blieb in Osttimor bis 1975. In der Nacht des 27. August verließ der portugiesische Gouverneur mit fast allen portugiesischen Bewohnern die Insel Timor. Sie flüchteten von Dili auf die Insel Atauro, dann nach Australien und schließlich nach Portugal. In jener Nacht ergriff eine der drei Parteien – die UDT – die Macht. Dagegen wandte sich die FRETILIN, der es allmählich gelang die Oberhand zu gewinnen. Sie erklärte am 28. November 1975 die einseitige Unabhängigkeit der Insel von Portugal.

Am 07. Dezember 1975 überfielen indonesische Truppen Osttimor und besetzten die Hauptstadt Dili, und am 10. Dezember wurde Bacau, die zweitgrößte Stadt des Landes, besetzt, und schließlich wurden Liquisa und Maubara besetzt. Wenige Monate später – am 16. Juli 1976 – erklärte Indonesien Osttimor einseitig zu seiner 27. Provinz.

Zwischen 1975 und 1980 war der Kleinkrieg zwischen dem indonesischen Militär und den Einwohnern Timors, die die Unabhängigkeit der Insel forderten, äußerst verbissen. Schätzungen für die ganze indonesische Besatzungszeit bewegen sich bei 200.000 Opfern unter den Timorern, praktisch ein Drittel der Bevölkerung.

1994 hat der Anteil der katholischen Bevölkerung Osttimors 92% erreicht (722.789 von 783.086 Einwohnern). Die Protestanten stellten 3,7% (28.486), und die Moslems bildeten eine kleine Minderheit von 3,1% (24.124 Einwohner). Dann gab es noch 4.794 Hindus (0,6%) und schließlich 2.312 Buddhisten (0,3%).

Die Katholische Kirche hat eine sehr bedeutende Rolle bei der Herausbildung der kulturellen Identität der osttimorischen Bevölkerung gespielt. Die Osttimorer unterscheiden sich teilweise kulturell und sprachlich von den Indonesiern. Die meistgesprochene Sprache ist Tetum, die die Rolle einer lingua franca für die Timorer besitzt. Natürlich war die portugiesische Sprache bis 1975 die Amtssprache des Staates und der Katholischen Kirche. Nach 1975 war sie die Sprache des timorischen Widerstandes und wurde von der Katholischen Kirche für ihre Beziehungen zur Außenwelt genutzt. Der Gebrauch des Portugiesischen war vor allem in Dili stark. Während der letzten Jahre der portugiesischen Präsenz konnten etwa 10-20% der Bevölkerung Osttimors Portugiesisch sprechen.

Die Zahl der in Osttimor lebenden Portugiesen war immer sehr niedrig. 1950 gab es bei einer Gesamteinwohnerzahl von 442.378 gerade einmal 568 Europäer, 2.022 Mestizen und 3.128 Chinesen. 1970 waren es 1.463 Europäer und 1.939 Mestizen bei einer Gesamtzahl von 650.000 Einwohnern.

1996 wurde zwei Timorern der Friedensnobelpreis verliehen: Carlos Filipe Ximenes Belo, Bischof von Dili, und José Ramos-Horta

OSTTIMOR STIMMT FÜR DIE UNABHÄNGIGKEIT

Ergebnis der Volksbefragung vom 30. August 1999, die von den Vereinten Nationen (VN) organisiert wurde: 78,5% für die Unabhängigkeit, 21,5% für die Autonomie innerhalb Indonesiens.

Nach einigen Wochen des Terrors, der von den proindonesischen Milizen entfesselt worden war, landen VN-Truppen auf Timor. Das indonesische Parlament ratifiziert das Ergebnis der Abstimmung und gibt damit den Weg für die Bildung des unabhängigen Staates Osttimor (Timor-Leste) frei.

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